SFL GLORY - Im Archiv mit Zwölf

  • Mämä Sykora, geboren 1975, widmet sich seit vielen Jahren journalistisch seiner Leidenschaft Fussball, seit 2009 als Chefredaktor des Schweizer Fussball-Magazins Zwölf. (Zwölf)

Das Fussballmagazin «Zwölf» bewältigte die Mammutaufgabe, für das neue Online-Archiv SFL GLORY sämtliche Spieldaten der höchsten Liga seit 1933 zu recherchieren und zu erfassen. Chefredaktor Mämä Sykora erklärt, wie dies gelang, und erzählt über die Tücken der Geschichte, falsche Wahrheiten und harte Zahlen im Fussball.

Mämä Sykora, wie geht man vor, um 85 Jahre Fussballgeschichte zu recherchieren?

Mämä Sykora: Der Anfang gestaltete sich tatsächlich schwierig. Zuerst erkundigten wir uns in unserem Netzwerk, wer allenfalls Sammlungen und Archive angelegt hatte. Bei einigen Klubs, etwa beim FC Zürich, sind Anhänger schon länger dran, die Daten zu vergangenen Spielen zu sammeln (www.dbfcz.ch/Anmerk d. R.). Aber das war natürlich nicht bei allen Klubs der Fall. Die Bruchstücke zusammenzuflicken entpuppte sich als aufwendiger als alles von Grund auf neu zu erarbeiten. Dafür hatten wir Mitarbeiter mit Freude am Fussball und Affinität für die Geschichte – besonders hervorheben möchte ich hier Niklaus Rohrer und Christoph Burger –, die in den Archiven Matchtelegramme sämtlicher Partien ab 1933 zusammentrugen.

Das tönt einleuchtend. Aber wie gelangte man an die Matchtelegramme?

In der Form, wie man sie heute kennt, wurden sie erst in den 60er-Jahren publiziert. Bis dahin erschienen in den Zeitungen jeweils lange Spielberichte, die zumindest mit den Startaufstellungen endeten. Die Ereignisse der Partie – also Tore, Platzverweise, Zuschauerzahlen oder Schiedsrichter – musste man sich aus dem langen Text zusammensuchen. Gerade bei Kantersiegen war das relativ mühevoll, aber dank der breiten Berichterstattung der Zeitung «Sport», die Nationalliga A und B abdeckte, doch machbar. Die «Sportinformation» sowie die Unibibliothek in Zürich verfügen über eine komplette Sammlung in physischer Form, gebündelt nach Jahren. Unser Team hat viel geblättert (lacht). Wir haben alle Telegramme abfotografiert und danach digitalisiert. Wo etwas gefehlt hat oder widersprüchlich war, griffen wir auf die jeweiligen Lokalzeitungen zurück. So setzte sich das Puzzle Schritt für Schritt zusammen. Es dauerte über 1'000 Stunden.

«Es dauerte über 1000 Stunden.»

Mämä Sykora (Chefredaktor Zwölf)


Was waren denn diese Widersprüchlichkeiten, die man vorfand?

In den frühen Jahren war es vor allem schwierig, die Spieler eindeutig zu bestimmen. Denn zu dieser Zeit war es um die Namensvielfalt in der Schweiz noch weniger gut bestellt. Dann tauchte zum Beispiel in einem Matchtelegramm ein FCZ-Spieler mit dem Namen «Müller» auf, aber verschwindet darauf wieder. Zwei Saisons später spielte beim FC Winterthur ein «Müller» – ist das nun der gleiche Müller? Zudem gab es viele Verwechslungsgefahren. Brüderpaare wurden früher einfach durchnummeriert, wie etwa bei den Riva-Brüdern aus Chiasso, von denen Riva IV der bekannteste war. Ganz zu schweigen von den vielen Meiers, Meyers und Maiers. Aber auch die Matchberichte selber waren teilweise fehlerhaft. Da wurden manchmal etwa Torschützen aufgeführt, die laut Spielbericht erst nach dem Treffer eingewechselt wurden. All dies erforderte Nachprüfungen.

Wie fand man dies heraus?

In einem ersten Schritt erfassten wir alle Spiele und markierten solche Problemfälle zur genaueren Recherche. Zuerst suchten wir den Namen in den jeweils Anfang Saison erschienenen Teamvorschauen. Wenn das noch keine Klärung brachte, suchten wir Artikel in Lokalzeitungen oder Aufzeichnungen in den Jahrbüchern des Klubs, wo eventuell mehr über den Spieler oder dessen Vorname abgedruckt war. Diese Abklärungen dauerten zum Teil stunden- und tagelang.

Gab es noch andere solche «Problemfälle»?

Überhaupt zu eruieren wann die Spiele stattfanden, war zum Teil schwierig. Wurde zum Beispiel ein Match wegen Schneefalls verschoben, mussten wir herausfinden, wann das Spiel nachgeholt wurde. Aber es war nicht mal so, dass nur die weit zurückliegenden Spielzeiten schwierig waren. 1999 wurde der «Sport» eingestellt, gleichzeitig schrumpften mit dem Aufkommen des Internets überall die Sportteile der Zeitungen. Nur noch die regional bedeutenden Vereine waren gut abgedeckt, von einer Partie wie Delémont gegen Etoile Carouge fand man in der Deutschschweiz plötzlich nur noch das Resultat.

Fussballmagazin Zwölf
Im Mai 2007 erschien das Fussballmagazin «Zwölf» zum ersten Mal. Seither erzählt es alle zwei Monate auf 68 Seiten Fussball-Geschichten aus der Schweiz. Die Artikel blicken dabei über die Spielfeldbegrenzung, erinnern augenzwinkernd an längst Vergangenes, unterhalten mit Protagonisten und Nebendarstellern und gehen es dabei nicht immer bierernst an.

«Zwölf» gibt’s an vielen Kiosks und weiteren Verkaufsstellen oder bequem im Abo.

www.zwoelf.ch


Das tönt nach reichlich Ärger. Hat es auch Freude gemacht, sich durch die Archive zu wühlen?


Auf jeden Fall. Den Mitarbeitenden, die das vollbrachten, muss man ein Kränzchen winden. Ohne deren Herzblut für diese Aufgabe wäre das Projekt gescheitert. Sie hätten ja beim "Fall Müller" auch einfach eine Annahme treffen können – den Fehler hätte niemand bemerkt. Aber sie wollten, dass alles genau stimmt. Fussball-Fanatiker halt (lacht).

Warum habt ihr als Fussballmagazin überhaupt das Bedürfnis nach einem solchen Nachschlagewerk?

Uns interessieren die Geschichten der Vergangenheit, die Perlen des Schweizer Fussballs. Und wenn wir Informationen aus früheren Zeiten veröffentlichen, müssen sie auch stimmen. Die Quellenlage in der Schweiz war vor diesem Projekt miserabel.

Inwiefern?

Die meisten Daten, die man im Internet sowie vor allem auf Wikipedia zum Schweizer Fussball findet, sind prinzipiell falsch. Die Schlusstabellen stimmen vielleicht gerade noch. Aber die Anzahl Tore oder Matches, die ein Spieler gemacht hat, sind mit grösster Wahrscheinlichkeit falsch. Diese falschen Zahlen zirkulieren dann in den Medien und werden so zur Wahrheit. Das stört mich ungemein.

«Lars Lunde wurde 1986 nicht Torschützenkönig.»

Mämä Sykora (Chefredaktor Zwölf)


Gibt es ein Beispiel für eine solche falsche Wahrheit?

Beispielsweise die Behauptung, dass Lars Lunde in der YB-Meistersaison 1985/86 Torschützenkönig geworden sei. Dies wurde in vielen Schweizer Medien so wiedergegeben, als YB diesen Sommer den Titel feierte. Aber es stimmt nicht. Der Däne Steen Thychosen von Lausanne-Sport erzielte 21 Tore, Lunde «nur» 20. So steht es jetzt auch bei SFL GLORY.

Wie andere Bereiche wird der Fussball von einer wahren Datenflut heimgesucht. Wie ist deine Einstellung dazu?

Grundsätzlich finde ich Zahlen etwas Spannendes. Aber man muss unterscheiden zwischen Zahlen, die eine kurze Lebensdauer haben und solchen, die für die Geschichtsbücher bestimmt sind. Wenn ein Spieler in den fünf Minuten nach der Halbzeit deutlich mehr Distanz zurücklegt als während des restlichen Matchs, ist dies zwar interessant. Aber für die Historie hat dieser Befund keine Relevanz. Deshalb haben wir uns für "Glory" auf die "harten Zahlen" konzentriert: Anzahl Spiele, Tore, Zuschauer, Platzverweise und Verwarnungen. Diese Werte lassen sich dann über Jahrzehnte hinweg vergleichen.

Habt ihr als Fussballmagazin durch die Arbeit für SFL GLORY auch etwas gelernt?

Ja natürlich! Man stolpert über so viele Namen und kann endlich deren Karriere nachverfolgen. Vieles wussten wir schlicht nicht und waren dementsprechend erstaunt. So etwa dass Serge Muhmenthaler, den wir als langjährigen Spitzenschiedsrichter kannten, für YB und Basel auflief. Heute wäre das wohl eher problematisch. Während der Arbeit haben wir auch ein Faible entwickelt für die alten Spielberichte, die oft wunderschön geschrieben waren. Einem x-beliebigen Spiel widmeten die Zeitungen damals eine ganze Seite. Heute findet man das Fussballgeschehen aus ganz Europa komprimiert auf einer Seite.

Gibt es eine Zeitspanne in der Schweizer Fussballgeschichte, die du besonders magst?

Oft nimmt man ja die Zeitspanne, in der man die ersten Fussballspiele miterlebte, nostalgisch verklärt wahr. Eine Tabelle von 1986 bereitet mir persönlich grosse Freude, weil ich dann gleich wieder die Spieler und Stadionerlebnisse präsent habe. Auch darum ist es schön, endlich die Zahlen zu den Partien zu haben. Da stellt man zum Beispiel fest, dass das Stadion damals nicht wie in der Erinnerung brechend voll war, sondern im Gegenteil sehr spärlich besetzt (lacht). Wir beklagen uns allzu gerne über die Neuzeit und vergessen dabei, dass früher vieles schlimmer war. Wobei: Die 60er- und 70er-Jahre hatten wohl schon viel Flair. Da konnten nach einem GC-Match die Zuschauer darüber abstimmen, ob das nächste Heimspiel am Samstag oder Sonntag ausgetragen wird. Und noch früher bestand der FC La Chaux-de-Fonds praktisch aus einer Gruppe von Freunden, die so Meistertitel einfahren konnten, weil sie einfach viel für den Erfolg unternahmen. Diese Zeiten sind definitiv vorbei.

Dieser Text und weitere Geschichten finden sich in...

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