SFL und Fussballklubs lehnen personalisierte Tickets ab
Die Swiss Football League verzeichnet mit ihren Meisterschaften der Credit Suisse Super League und der dieci Challenge League mehr Fussballspiele und mehr Fussballfans als je zuvor. Die Zahl der Zuschauerinnen und Zuschauer ist in der Saison 2023/24 erstmals auf über 3 Millionen angestiegen – und immer mehr Kinder, Jugendliche, Familien und Frauen besuchen die Schweizer Fussballstadien. Gleichzeitig nehmen die Fussballspiele mit gewalttätigen Ereignissen ab – seit der Saison 2021/22 von 27 auf 17 Prozent. Die Zahl der Fussballspiele ohne nennenswerte Vorkommnisse stieg hingegen im gleichen Zeitraum von 42 auf 55 Prozent (siehe auch «Gesamtschweizerisches Lagebild Sport / GSLS-Reporting» der Polizeilichen Koordinationsplattform Sport).
Diese positive Entwicklung scheint von der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) nicht berücksichtigt zu werden. Diese hat auf die Saison 2024/25 hin das umstrittene Kaskadenmodell eingeführt. Aus Sicht der Swiss Football League (SFL) und der Fussballklubs vermischt das Kaskadenmodell Prävention und Repression, setzt auf Kollektivstrafen und ist nicht auf die Verhinderung zukünftiger Gewalttaten ausgerichtet. Kurz darauf beschloss die KKJPD, die Einführung personalisierter Tickets zu prüfen.
Bereits im gemeinsam von KKJPD und SFL erarbeiteten Bericht «Biglietto+» vom Dezember 2022 wurde festgestellt, dass eine Einführung von personalisierten Tickets «umstritten ist, hohe Risiken birgt und sich aktuell nicht aufdrängt». Zudem bestünden erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken und die gesetzlichen Grundlagen für personalisierte Tickets würden fehlen.
Blick in andere Fussball-Ligen
Der Blick von «Biglietto+» in ausländische Ligen zeigt, dass personalisierte Tickets nicht die gewünschten Effekte im Kampf gegen Fangewalt bringen: Es gibt Verlagerungseffekte ausserhalb der Stadien (z.B. in Italien) oder es gibt unverändert Fangewalt in den Stadien (insbesondere in der Türkei). Die grossen Fussball-Ligen in England, Deutschland, Spanien und Frankreich haben sich, wie andere Länder auch, aufgrund des hohen technischen, organisatorischen und rechtlichen Aufwands bisher gegen die Einführung von personalisierten Tickets entschieden.
Die SFL geht davon aus, dass personalisierte Tickets zu Unruhe und Unsicherheit führen, die Probleme ausserhalb der Stadien zunehmen und es zu massiven Fanprotesten kommen würde. In den Fussballstadien müssten die Stehplätze abgeschafft und die Sitzplatzpflicht eingeführt werden. Der zeitliche und finanzielle Mehraufwand für die Klubs wäre enorm. In den grossen Fussballstadien wie Basel oder Bern drohen stundenlange Wartezeiten. Die Kosten würden sich auf bis zu 1 Million Franken pro Klub belaufen. Und für die Strafverfolgung gibt es kaum einen Mehrwert, denn es ist unklar, wie eine Sitzplatzpflicht oder ein Vermummungsverbot effektiv durchgesetzt werden könnten. «Deshalb lehnen wir personalisierte Tickets ganz klar ab, sie sind weder verhältnismässig noch zielführend, sondern kontraproduktiv und provokativ», sagte Claudius Schäfer, CEO der SFL, am Mediengespräch.
Personell und finanziell grosses Engagement für Sicherheit
Die SFL verurteilt Gewaltvorfälle wie Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und Tätlichkeiten im Umfeld von Fussballspielen mit aller Deutlichkeit. Die Sicherheit ist ein zentrales Element der SFL-Strategie 2023-2027. So investieren die Fussballklubs jährlich über 20 Millionen Franken in die Sicherheit und betreiben einen grossen personellen Aufwand. Jeder Klub und auch die SFL haben eigene Sicherheitsverantwortliche. Diese arbeiten eng mit den Behörden und mit der Polizei zusammen und unterstützen diese proaktiv und konsequent bei der Einzeltäterverfolgung. Dabei erachtet die SFL die aktuell geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen als ausreichend, um die Sicherheit innerhalb und ausserhalb der Stadien zu gewährleisten.
Wertvoll ist zudem auch die wissenschaftliche Begleitung respektive die Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle Gewalt bei Sportveranstaltungen am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Bern. «Statt einseitig repressive Massnahmen wie das Kaskadenmodell oder personalisierte Tickets einzuführen, erwarten wir von der KKJPD eine rasche Wiederaufnahme des gemeinsamen Dialogs ohne gegenseitige Forderungen und Bedingungen», so Schäfer.
Die Ansätze von Yverdon, Luzern und St.Gallen
Weitere zielführende Massnahmen sind die kürzlich erstmals abgeschlossene Vereinbarung mit den SBB betreffend Fantransporte, die neu eingeführten Kluballianzen und die «Good Hosting»-Konzept der Klubs. Ein besonders innovatives «Good Hosting»-Modell verfolgt der Yverdon Sport FC, der beispielsweise in Heimspielen gegen den FC Zürich oder den BSC Young Boys mehr Gästefans als Heimfans empfängt. Die Sicherheitsverantwortlichen Barbara Augsburger und Billy Warpelin präsentierten am Mediengespräch, wie sie trotz suboptimaler Stadion-Infrastruktur proaktiv auf die Gastklubs und Gästefans zugehen und mit kleinen, aber wirkungsvollen gästefreundlichen Massnahmen die Sicherheit erhöhen.
«Wir erreichen mehr, wenn wir auf Dialog statt auf Repression setzen», sagte am Mediengespräch auch Fabian Achermann. Er engagiert sich seit sieben Jahren im Verein Fanarbeit Luzern, der von Stadt, Kanton und FC Luzern getragen wird. Und Pascal Wicki, Bereichsleiter Spiel- und Stadionbetrieb / Sicherheit und Fanwesen beim FC St.Gallen 1879, betonte: «In St.Gallen pflegen wir einen guten Dialog zwischen Behörden und Fans. Das A und O im Kampf gegen Fangewalt ist die konsequente Trennung von Heim- und Gästefans. Hier bewähren sich die Kluballianzen, in denen wir auch mit den Gastklubs und Gästefans stets in engem Austausch stehen.»
Das Fazit von Claudius Schäfer: «Die insgesamt positive Entwicklung ist das Ergebnis vieler kleiner, zielgerichteter Massnahmen der SFL und der Fussballklubs in den Bereichen Sicherheit und Fanarbeit. Diese sind vielleicht nicht immer spektakulär, aber wirkungsvoll.»